Dracula - Jagd der Vampire (EUROPA LP 1970)
mit
Dracula - Jagd der Vampire (PEG LP 1975)

Erste Information

Thomas Schwettmann verglich das im Jahre 1970 von Konrad Halver inszenierte Europa-Hörspiel "Dracula - Jagd der Vampire" mit dem gleichnamigen Hafo-(Halver/Folken) Remake für das BASF/PEG-Label (1975). Der Vergleich erfolgte dabei anhand der von Marcus Ebeling erstellten Jagd der Vampire-Transkription, sowie auf der Basis der unveränderten Maritim-Neuausgabe des Remakes aus dem Jahre 2001. Das Ergebnis ist hier nachzulesen und gibt Satz für Satz darüber Auskunft, wo es Veränderungen des Skriptes in der Neuaufnahme gegeben hat.

 
Die Faustregel zum Lesen der Hörspielabschrift:

 
Textstellen, die nur die Erstfassung enthält, sind fettgedruckt. Textstellen, die nur im Remake verwendet werden, sind dunkelrot eingefärbt.

Harker: Ach, wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt. Dort nebenan scheint wohl der Schlafraum zu sein.
 
In diesem Fall sagt Harker im Europa-Original: "Ach, wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt." Im Peg-Remake hingegen heißt es: "Wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt. Dort nebenan scheint wohl der Schlafraum zu sein."

Unterschiede zwischen beiden Versionen:

• Die meisten Änderungen bestehen erwartungsgemäß aus Füllwörtern, die im Remake entweder gestrichen oder hinzugefügt wurden.
• Zusätzlich gibt es im Remake bei der Ankunft Harkers auf Draculas Schloß etwas neuen Text, an wenigen anderen Stellen, insbesondere vor den nächtlichen Besuchen Draculas bei Lucy und Mina, wurde der ursprüngliche Text in sinnverwandte Sätze umgewandelt.
• Im Remake sind jene Szenen, in denen Dracula das Blut von Lucy und Mina trinkt, mit klassischer Walzermusik unterlegt, ansonsten besteht die musikalische Untermalung wie im Orginal hauptsächlich aus Orgelmusik.

Folgende Aspekte wurden in der Transkription nicht berücksichtigt:
• Akzente: Die Wirtin spricht im Orginal wie im Remake etwa mit ungarischem Tonfall, statt "Herr" betont sie z.B. "Härr".
• Rechtschreibfehler: In der Einleitung sagt Hans Paetsch beispielweise korrekt: "... mit starrem, angsterfüllten Blick ..." während Wolfgang Kieling eindeutig fälschlich "... mit starren, angsterfüllten Blick ..." erzählt.
• Rechtschreibalternativen wie "Er war im Auftrage seines Herrn ..." bzw. "Er war im Auftrag seines Herrn ..." hingegen wurden notiert.

Die Sprecher

						EUROPA					 PEG
Erzähler                Hans Paetsch             Wolfgang Kieling
Graf Dracula            Charles Regnier          Peter Versten
Jonathan Harker	        Michael Poelchau         Olaf Salmon
Mina Murray             Reinhilt Schneider       Angelika Merkert
Professor Van Helsing   Werner Hinz              Albert Lichtenfeld
Lucy Westenraa	        Herma Koehn              Marianne Warnecke
die Wirtin	            Katharina Brauren        Emmy Jülich
der Postillon	        Rudolf Fenner            Albert Johannes
1. Vampirbraut	        Heike Kintzel            Andrea Bergmann
2. Vampirbraut	        Hella v.d. Osten-Sacken  Andrea Vetsch
3. Vampirbraut	        Ingeborg Kallweit        Maria Janowski

Buch und Regie: Konrad Halver
Produktion: EUROPA / Konrad Halver (Hafo)

Seite 1

  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Im Nordteil Rumäniens liegt, von den schroffen Felsen des hufeisenförmigen Karpatengebirges eingeschlossen, das Land Siebenbürgen. Früher hieß es Transsylvanien, und man sagte seinen Einwohnern nach, sie seien stark abergläubisch. Vor vielen Jahrzehnten nun stieg der junge englische Anwaltsschreiber Jonathan Harker in der alten Stadt Bistritz, die im nördlichen Teil Transsylvaniens am Fuße des Gebirges liegt, im Hotel "Goldene Krone" ab. Er war im Auftrage Auftrag seines Herrn, des Londoner Rechtsanwaltes Mr. Hawkins, unterwegs, um den Grafen Dracula aufzusuchen, dessen entlegenes Schloß sich einige Stunden von Bistritz entfernt in den Bergen befinden sollte. Harker hatte es sich gerade auf seinem Zimmer bequem gemacht, als die alte Wirtsfrau unvermutet und ungestüm die Kammer betrat und ihm mit starrem, angsterfüllten Blick einen Brief aushändigte.
   
Wirtin: Junger Herr! Junger Herr, Ich ... habe ... eine Nachricht für Sie , junger Herr, ...vom ... vom ...
   
Harker: Ah, vom Grafen Dracula, nehme ich an. - Sie bekreuzigt sich. Was soll das?
   
  (Harker öffnet den Brief)
   
  Aha ... hm ... "Lieber Freund, willkommen in Transsylvanien. Ich bin ungeduldig, Sie kennenzulernen. Morgens um drei Uhr geht die Postkutsche ab, die über den Borgo-Paß in die Bukowina fährt. Auf der Paßhöhe wird mein Wagen Sie erwarten. Ihr Freund Dracula." Hm.
   
  (Harker faltet den Brief zusammen.)
   
Wirtin: Junger Herr! Wissen Sie denn nicht, was morgen für ein Tag ist?
   
Harker: Doch, der 4. Mai! Warum?
   
Wirtin: Es ist die St.Georgsnacht! Alle bösen Geister treiben da, was sie wollen.
   
Harker: (lacht) Ach was! Abergläubisches Geschwätz! An solchen Unfug glaube ich nicht!
   
Wirtin: Junger Herr! Wissen Sie, wohin Sie gehen? Und zu wem Sie gehen? Bleiben Sie hier! Noch können Sie zurück! (schluchzt) Ich flehe Sie an!
   
Harker: Aber gute Frau, das ist unmöglich. Ich habe einen geschäftlichen Auftrag, der mich zum Grafen Dracula führt.
   
Wirtin: So nehmen Sie wenigstens um Ihrer Mutter willen dies Kreuz von mir. Der Himmel beschütze Sie!
   
Erzähler: Damit legte sie dem verwirrten Harker ihren Rosenkranz, an dem ein kleines Kruzifix hing, um den Hals und verließ unter Tränen das Zimmer. Der junge Mann war auf einmal nicht mehr so zuversichtlich wie gewohnt.
   
  (Orgelmusik. Ende der Orgelmusik. Räder rollen.)
   
  Die Fahrt in der Postkutsche konnte Jonathan Harkers niedergedrückte Stimmung kaum nicht bessern.
   
  (Pferdewiehern. Räderrollen.)
   
  Zuerst fanden zahlreiche Knoblauchbündel an sämtlichen Fenstern und Türen seine furchtsame Verwunderung. Hatte er doch gehört, daß Knoblauch manchmal als Abschreckungsmittel für Geister verwendet wurde. Auch führten seine Mitreisenden erregte Reden, wobei sie ihm angstvoll besorgte Blicke zuwarfen oder aus dem Wagenfenster in das Dunkel der Nacht deuteten. Einige Ausdrücke, die immer wiederkehrten, hörte er heraus.
   
  (Stimmengewirr.)
   
Harker: Ordog, Pokol, Stregoica, Vrolock ...was mögen diese Begriffe nur bedeuten? Ich muß das Wörterbuch befragen. So ...
   
  (Harker blättert im Wörterbuch.)
   
  Hm, "Satan", hm ... und hier ... "Hölle" ... "Stregoica: Hexe" ... "Werwolf", ... hm ... ach, und hier: "Vampir: Blutdürstige Wesen in Wolfs- und Fledermaus-Gestalt." Mein Gott, schrecklich! Das macht mir nicht gerade Mut zur Fahrt auf Draculas Schloß. Auch fegt der Wind seit einiger Zeit seltsam geformte Nebelfetzen neben dem Wagen her. In der Tat ... gespenstisch! Da! Jetzt hält die Kutsche.
   
  (Der Verschlag wird geöffnet.)
   
Postillon: Mein Herr! Wir haben die Höhe des Passes erreicht. Wenn Sie unbedingt wollen, mögen Sie hier aussteigen.
   
  (Schneidender Wind.)
   
Dracula: Natürlich will er hier aussteigen, du Dummkopf! Der Mann ist mit meinem Herrn verabredet. Guten Abend, Herr Harker! Kommen Sie mit, dort wartet unsere Kutsche.
   
Erzähler: Aus dem Dunkel hatte sich eine hohe Gestalt mit einem großen schwarzen Hut auf dem Kopf gelöst, die ihre Gesichtszüge beim Näherkommen verborgen hielt. Im Lampenlicht glaubte Harker allerdings, die Augen rot funkeln zu sehen.
   
  Schreiend wandten sich die Insassen des Wagens ab und bekreuzigten sich. Nur die Erinnerung an seinen Auftrag und seine Pflicht konnten Jonathan Harker dazu bewegen, die Fahrt mit dem schwarzen Mann anzutreten, die sofort in wildem Tempo begann, kaum daß er im Wagen Platz genommen hatte.
   
  (Räderrollen.)
   
  Später, der Mond ergoß sein volles Licht auf die unheimlich einsame Landschaft, nahm Harker ein immer stärker werdendes, fürchterliches Geräusch von draußen wahr.
   
Harker: Höre ich recht?
   
  (Wolfsgeheul.)
   
  Wölfe! Wir nähern uns ihnen. Da ... dort ... da sind sie schon, ein ganzes Rudel! Gott sei uns gnädig.Die armen Pferde scheuen wie wild!
   
  (Pferdewiehern.)
   
  Und da: eine unheimliche blaue Flamme am Weg! (klopft) Kutscher! Was sollen wir tun? He, Kutscher! (klopft)
   
  (Synthesizer-Musik.)
   
  Er scheint mich nicht zu hören.
   
  Da ... Jetzt springt er ab, der Wahnsinnige!
   
Dracula: Zurück! Stregoica! Vrolock! Zurück!
   
(Orgelmusik.)
   
Harker: Was tut er? Träume ich? Er ruft den Bestien etwas zu. Wie Befehle klingen seine Worte. Er schwingt seine unheimlichen lange Arme, als wollte wolle er sie vertreiben und ... Nein, nicht möglich: die Wölfe weichen zurück! Ja, weichen langsam zurück, einer nach dem anderen. Hm. Sie sind fort! Fort! Hm. Aber da: die blaue Flamme! Sie nähert sich drohend im Mondlicht! Was wird er tun, der Unheimliche?! Wie? Er legt Steine vom Weg zu einer Art Figur zusammen. Die Flamme weicht zurück, ja, sie entfernt sich. Doch merkwürdig: der Kutscher! Steht er denn nicht zwischen mir und der Flamme?! Müßte seine, müßte mir seine Gestalt mir nicht die Sicht auf die Flamme verdecken? Sie ... Sie tut es nicht! Ich ... sehe durch ihn ... hindurch! (atmet) Es muß eine Täuschung sein, ... es kann nur eine Täuschung sein.
   
Erzähler: Ehe Harker noch weiter rätseln konnte, war der Kutscher wieder aufgesprungen und weiter ging die rasende Fahrt in Sturm und Schnee dem Schlosse Draculas zu. Viele ähnliche beunruhigende Erscheinungen unterbrachen noch die Fahrt durch die immer steiler werdenden Berge, bis auf einmal nach einer harten Wegbiegung, geisterhaft vom fahlen Mondlicht beschienen, das Ziel vor ihnen lag: Burg Dracula.
   
  (Orgelmusik.)
   
  Im Hofe des ruinenhaften Gebäudes wurde der Besucher samt seinem Gepäck vom Kutscher abgesetzt, der mit dem Wagen in einem düsteren Torbogen verschwand. Wenig später hörte Harker vom Haus her ein Geräusch.
   
  (Schloßtür wird geöffnet.)
   
Harker: Da, das große Portal wird geöffnet. Eine Gestalt erscheint, es ist ein hochgewachsener, hagerer Mann, schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß.
   
Dracula: Willkommen auf meinem Schloß. Ich bin Dracula ... und begrüße Sie, Herr Harker.
   
Erzähler: Der Angesprochene trat näher und gab dem Grafen die Hand. Der ergriff und drückte sie dermaßen, daß Harker zusammenzuckte. Beklommen dachte er:
   
Harker: Welch ungeheuerliche Kraft in seinem Griff ist. Dabei fühlt seine Hand sich eiskalt an, wie die eines ... eines Toten. Auch glaube ich fast, dieselbe Person wie den Kutscher vor mir zu haben.
   
Dracula: Kommen Sie, Herr Harker! Sie sollen Ihr Zimmer sehen.
   
  (Schritte.)
   
Erzähler: Nach langen Wegen über endlose Korridore und steile Wendeltreppen gelangten sie in einen hell erleuchteten Raum. Harker dachte ein wenig erleichtert:
   
Harker: Ach, wenigstens hier nicht die drückende Atmosphäre. Im Kamin flackert ein kräftiges Feuer, der Tisch ist gedeckt. Dort nebenan scheint wohl der Schlafraum zu sein.
   
Dracula: Wollen Sie erst ein wenig ruhen, mein Freund?
   
Harker: Danke, Graf, es ist nicht nötig.
   
Dracula: Dann stärken Sie sich doch nach der anstrengenden Fahrt.
   
Harker: Gerne. Äh, Vorher aber muß ich Ihnen noch diesen Brief von Mr. Hawkins übergeben.
   
Dracula: Danke.
   
  (Dracula entfaltet den Brief.)
   
Harker: Leider hinderte ihn seine Gicht daran, selbst die lange Reise von London hierher zu machen, um mit Ihnen das Geschäft zu besprechen.
   
Erzähler: Während Dracula das Schreiben las, verzehrte Harker das schmackhafte Abendbrot, wobei er Gelegenheit hatte, sein Gegenüber genau zu beobachten. Er dachte:
   
Harker: Ein solches Gesicht habe ich hast du noch nie gesehen. Scharf gebogene Nase, ungewöhnlich hohe gewölbte Stirn, ein harter, grausamer Mund, spitze Ohren, fast geier- oder habichtartig, hm, sieht er aus, und dann die langen scharfen ... Hundezähne, die über die Lippen hervorragen. Ungewöhnlich ... und sonderbar!
   
Dracula: Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt, Herr Harker. Tja, Kommen wir nun zum Geschäftlichen. Wollen Sie mir ein wenig über die Möglichkeiten berichten, ein Haus in London zu kaufen? Ich werde Sie auch gleich über meine speziellen Wünsche diesbezüglich unterrichten... Tja, Ich nehme doch an, Sie werden hoffentlich eine zeitlang hierbleiben, damit ich durch das Gespräch und die Unterhaltung mit Ihnen mein Englisch vervollständige. Verständlicherweise möchte ich nicht fortwährend für einen Fremden gehalten werden, wenn ich nach London übersiedle.
   
Erzähler: Das Gespräch dauerte, bis der Tag graute.
   
(Hahnenschrei.)
   
Kaum hatte der Graf den Hahnenschrei gehört, sprang er auf.
   
Dracula: Schon Morgen? Wie konnte ich Sie nur so lange aufhalten? Ich wünsche Ihnen eine gute Ruhe und einen erfreulichen Tag. Leider halten mich dringende Geschäfte davon ab, Ihnen den Tag über Gesellschaft zu leisten.
   
Harker: Danke, Graf. Ich werde mich schon beschäftigen.
   
Dracula: Hm. Falls Sie die Absicht haben sollten, Ihr Zimmer zu verlassen, seien Sie vorsichtig. Versuchen Sie keinesfalls, in verschlossene Räume einzudringen, und lassen Sie sich warnen, in einem anderen Teil des Schlosses zu schlafen. Sie könnten ... einen bösen Traum haben. Und Sie wissen ja, nach allem, was Sie bereits erlebt haben, daß sich in Transsylvanien seltsame Dinge ereignen. (lacht in sich hinein)
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Am Tage, beim Durchstreifen des Schlosses, stellte Harker zu seinem Schrecken fest:
   
Harker: Nichts als verschlossene und verriegelte Türen. Ich bin gefangen. Nirgends ein Ausweg als ... als durch die Fenster. Und das Schloß steht am Rande eines schrecklichen Abgrundes. Und dann diese Totenstille, unheimlich. Kein Lebewesen ist zu entdecken, ich scheine hier völlig allein mit Dracula zu sein. (atmet zweimal) Ich ... Ich habe Angst.
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Am Abend war Dracula einige Stunden bei Harker und führte mit ihm eine ausgedehnte Unterhaltung, vor allem über Schiffstransport, über Hauskauf und finanzielle Fragen. Wenn Dracula hierbei auch den Eindruck großer Kenntnisse auf Grund von Belesenheit erweckte: Jonathan Harker wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, als spräche da jemand, der schon in vergangenen Jahrhunderten gelebt haben mußte. Das Gefühl verstärkte sich, als Dracula von der Herkunft und ruhmreichen Vergangenheit seines Geschlechtes zu erzählen anfing und dabei ständig das Wort "wir", einmal sogar das Wort "ich" gebrauchte. Dann verabschiedete sich der Graf unvermittelt, es war kurz vor Mitternacht, und ließ Harker allein. Bevor dieser schlafen ging, befestigte er noch den Rosenkranz mit dem Kreuz, den ihn die Wirtin in Bistritz aufgedrängt hatte, und dessen Besitz ihm nun doch eine eigenartige Beruhigung war, über seinem Bett. Danach öffnete er ein das Fenster, um noch etwas Luft einzulassen und starrte voll dumpfer Gefühle hinaus in die Mondnacht. Da, nach einer Weile, sah er schräg unter sich, dort, wo sich die Räume des Grafen befinden mußten, etwas Unheimliches.
   
(Heulender Wind.)
   
Harker: Da! Da schiebt sich eine Gestalt aus dem Fenster ... Dracula! Ja, er ist es. Aber, aber was ist das? Sein schwarzer Mantel erscheint mir plötzlich wie ... ja, wie ein Paar großer Flügel! Er beugt sich weit vor, der Unvorsichtige. Zu weit vor! Und ... und stürzt hinab! N-nein, nein, er fliegt! Wie eine Fledermaus flattert er davon. Gräßlich! Ungeheuerlich! Welche Kreatur verbirgt sich in diesem Wesen? Und ich bin in seiner Gewalt! Oh mein Gott, könnte ich doch nur fliehen! Wüßte ich doch, wo hinaus! Ich muß mich noch einmal im Schloß umsehen, jetzt, wo Dracula fort ist. Vielleicht läßt mich der Himmel doch noch einen Fluchtweg finden.
   
Erzähler: Er nahm seine Lampe und machte sich auf, um noch einmal die vielen Türen und Schlösser zu untersuchen, die ihn an der Flucht hinderten. In einem entlegenen Teil des Gebäudes, einige Stockwerke tiefer, stieß er auf eine große verriegelte Tür, die das Ende eines Ganges bildete.
   
Harker: Dort hinter der Tür müßte es zum Hof gehen. Hoffentlich gelingt es mir, die Tür aufzubrechen.
   
  (Gepolter.)
   
  So, ja ... (atmet schwer) Was? Kein Gang? Statt dessen ein angenehm eingerichteter Raum.
   
  (Schritte.)
   
  Natürlich Staub über allem, der Staub der Jahrhunderte. Ich werde mich einen Augenblick setzen. So ... Aber was ist nur mit mir? Bleierne Schläfrigkeit überfällt mich ... ich bin müde ... zum Sterben müde ...
   
(Synthesizermusik.)
   
Erzähler: Harker war eingeschlafen. Aber er war nicht mehr allein im Raum. Da standen drei junge Frauen im Mondlicht, das durch sie hindurchschien. Mit feurigen, gierigen Blicken starrten sie auf den Ruhenden und leckten sich wollüstig die roten Lippen, zwischen denen, wenn sie lächelten, jeweils zwei spitze, lange, weiße Fangzähne hervorglänzten.
   
  (Synthesizer-Musik.)
   
  Während die Schönste von ihnen sich an Harker herandrängte, flüsterten die anderen lüstern:
   
1. Vampirbraut: Nur zu, Schwester! Du bist die erste! Wir sind nach dir an der Reihe!
   
2. Vampirbraut: Ja, er ist jung und kräftig. Ach, das gibt Küsse für jede von uns.
   
1. Vampirbraut: Seht, er hat die Augen aufgeschlagen.
   
2. Vampirbraut: Er ist in unserem Bann, der Schöne!
   
Harker: Komm ...
   
2. Vampirbraut: Hört ihn nur!
   
1. Vampirbraut: Ja, wie er sich nach der jüngsten von uns sehnt! Hört ihn nur!
   
Harker: Komm, schönes Mädchen, näher zu mir!
   
3. Vampirbraut: Hier bin ich, Liebster! Soll ich dich küssen?
   
Harker: Ja, ja, bitte komm! Küß mich, oder ich sterbe vor Verlangen!
   
3. Vampirbraut: Oh, das ist gut. (Sie stöhnt lüstern.) Du sollst ihn haben, deinen Kuß. So ...
   
Erzähler: Sich vor unendlicher Blutgier die Lippen leckend, beugte sich die Vampirbraut über Harker, streifte ihm an Mund und Kinn vorbei und näherte sich seiner Kehle, näherte sich der Halsschlagader. In ohnmächtig entsetztem Verzücken spürte der junge Mann, wie ihre weichen Lippen sich dort auf seiner Haut festsaugten und zwei scharfe Zähne das Fleisch berührten. In diesem Augenblick ertönte wie durch einen Zauber plötzlich die zornbebende Stimme des Grafen, der in einem Sturm von Erregung herbeigeeilt zu sein schien. Wütende Blitze schossen die roten Augen des Dämons, als er das Mädchen zurückriß und rief:
   
Dracula: Hab' ich es euch nicht verboten, ihn anzurühren? Wie kann eine von euch es wagen, ihr Auge auf ihn zu werfen? Zurück! Dieser Mann ist mein.
   
3. Vampirbraut: (schreit auf)
   
Dracula: Habt ihr euren Gebieter verstanden?
   
3. Vampirbraut: Oh, du Grausamer! Du hast noch nie geliebt, und nie wirst du lieben können.
   
Dracula: Wohl kann ich lieben! Wißt ihr's selbst nicht am besten, aus vergangenen Tagen? Aber gut, morgen nacht sollt auch ihr ihn küssen können dürfen, wenn ich meinen Durst an ihm gestillt habe. Doch jetzt fort mit euch! Ich muß ihn auf sein Zimmer bringen und bald aufwecken.
   
2. Vampirbraut: Und müssen wir heute leer ausgehen?
   
Dracula: Das nicht. Hier! Ich habe euch etwas mitgebracht.
   
(Etwas fällt auf den Boden. Ein Baby wimmert.)
   
Erzähler: Er warf ihnen ein Bündel vor die Füße, aus dem das Schreien eines halberstickten Kindes drang und auf das sich die Mädchen alsbald blutdürstig stürzten.
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Jonathan Harker hatte die grauenhafte Szene nur in einer Art von ohnmächtigem Dämmerschlaf miterlebt und nicht vergessen. Als er am nächsten Morgen in seinem Zimmer erwachte, sann er verzweifelt über seine Lage nach.
   
Harker: Willst du dem Schicksal entgehen, in der nächsten Nacht von den dämonischen Blutsaugern geküßt und dadurch womöglich selbst zum Vampir zu werden, so mußt du dich heute noch zu retten versuchen, oder bist auf immer verloren, Jonathan Harker! (Er atmet aus.) Wo mögen nur die Schlüssel des Schlosses aufbewahrt sein? Sicher in Draculas Gemächern, ja, nur dort können sie sein. Tagsüber brauche ich den Vampir nicht zu fürchten. Er erscheint ja wohl nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang Aufgang. Hach, doch ... doch wie gelange ich in seine Räume, wo mir alle Türen verschlossen sind? Es ... es gibt nur einen Weg: ich muß versuchen, an der Außenwand des Schlosses entlang zu klettern, und wenn ich mir dabei den Hals breche. Auf, ans Werk!
   
Erzähler: Bevor er das Fenster öffnete, legte Harker sich noch das Kreuz um, das er bei seiner letzten Erkundung des Schlosses versehentlich nicht mitgenommen hatte. Nie hätte er früher gedacht, daß ein Symbol eine solche Hilfe bedeuten könne. Danach kletterte er vorsichtig aus dem Fenster und tastete sich, jede Unebenheit des Mauerwerks ausnutzend, an der Außenwand des Schlosses entlang.
   
  (Heulender Wind. Ein Käuzchenruf. Harker kriecht an der Mauer entlang.)
   
Harker: (stöhnt) Ja, da ... da ist ein Vorsprung. So ... nur nicht nach unten sehen in die gräßliche Tiefe, sonst ist's aus! Weiter ... so ... hier, und ...
   
  (Harker rutscht aus.)
   
  Ah! Ah (stöhnt.) ... Oh ja ... das ging noch mal gut. So, weiter hinunter. So ... hier: das muß das Fenster zu Draculas Gemächern sein. Gott sei Dank, es steht ist offen. So, hinein.
   
  (Harker springt.)
   
  Niemand da. Wo mag sich das Ungeheuer tagsüber aufhalten? Vor allem aber: Wo sind die Schlüssel? Hier, in diesem verstaubten Raum, ist nichts dergleichen zu entdecken. Da! Ha! Dort ist eine Tür zu einem Gang!
   
  (Schritte. Harker öffnet die Tür.)
   
  Eine Treppe, die hinunter führt.
   
  (Schritte.)
   
  Wo ... wo bin ich? Eine Gruft? Dort steht ein länglicher Kasten, ja - ja, ein Sarg. Er steht auf einem Haufen frischer Erde, sonderbar. Sollte der Graf ... ? Ich muß den Sarg öffnen, koste es, was es wolle! So!
   
  (Harker öffnet den Sarg.)
   
  (erschrickt, atmet aus) Ha! Dracula! Ist er tot, oder schläft er? Entsetzlich! Der haßerfüllte, höhnische Blick aus den offenen Augen! Und da, auf den Lippen: Tropfen frischen Bluts! Viel jünger sieht er aus, röter der Mund, voller die Wangen. Er muß sich mit Blut geradezu vollgesogen haben. Grauenvoll. Ohhh - Nein! (atmet aus) Nimm dich zusammen, Harker. Du mußt den gräßlichen Körper dort nach den Schlüsseln durchsuchen. Du mußt!
   
  (Harker durchsucht die Kleidung.)
   
  (erschrickt) Hat er sich bewegt? Nein ... Nein, nein, er ist wie ... wie tot. Weiter.
   
  (Wieder ein Rascheln.)
   
  Mein Gott, wo mögen die Schlüssel nur stecken? Ha, hier ...
   
  (Schlüssel klirren.)
   
  Hier! Schlüsselbund! Das muß es sein! Herr im Himmel, hab' Dank! Und nun nichts wie fort, fort von diesem Ort des Grauens!
   
  (Harker läuft davon.)
   
  (Orgelmusik.)
   

Seite 2

Erzähler: Einige Tage später. Jonathan Harker war die Flucht vom Schlosse Draculas geglückt, und er hatte sich nach London durchschlagen können.
   
  (Orgelmusik.)
   
Jetzt saß er mit seiner Verlobten Mina Murray und Professor Abraham Van Helsing zusammen, einem niederländischen Gelehrten von der Universität Leiden, dessen Bekanntschaft und Hilfe ihm ein Freund vermittelt hatte. Van Helsing war hauptsächlich Mediziner; seine privaten Studien aber galten seit einiger Zeit vornehmlich der Mystik und allen irgendwie bekannten Erscheinungsformen abergläubischer Vorstellungen der Völker. Gerade sagte er:
   
Van Helsing: Es war gut, mein lieber Harker, daß Sie mich nach London riefen und mir von Ihren grauenvollen Erlebnissen berichtet haben. Ich nehme zwar an, daß kaum ein anderer Gelehrter Ihren Erzählungen Glauben schenken würde, denn die Sache ist doch zu ungeheuerlich. Aber es ist etwas geschehen, das mir jeden Zweifel an der Existenz des Vampirs raubt.
   
Mina: Was ist das, Professor? Um Gottes Willen, wovon sprechen Sie?
   
Van Helsing: Nun, Dracula ist in England.
   
Harker: Mein Gott. Und?
   
Van Helsing: Heute nacht, während des unheimlichen Sturms, ist im Hafen ein führerloses Schiff eingelaufen. Genauer gesagt: ein Schiff, das auf seiner Fahrt vom Schwarzen Meer her durch die Anwesenheit eines schrecklichen, ungeheuerlichen Wesens nach und nach die Besatzung verloren hat, wie aus dem Logbuch des Kapitäns hervorgeht, der übrigens als letzter sein Leben lassen mußte und dessen Leiche Körper, ans Steuer gebunden, tot aufgefunden wurde.
   
Harker: Entsetzlich. Und wo ist Dracula jetzt?
   
Van Helsing: Zeugen der unheimlichen Schiffsankunft behaupten, es sei ein Hund von Bord gesprungen. Ein wolfsähnlicher Hund, der sofort das Weite gesucht hätte. Natürlich ahnt kein Mensch etwas von dem Vampir, der nun unter uns ist.
   
Harker: Wir müssen Dracula unverzüglich finden und vernichten, koste es, was es wolle, oder London erlebt eine Bluthochzeit ohnegleichen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: In der folgenden Nacht hörte Lucy Westenraa, die Freundin von Jonathan Harkers Verlobten Mina, vor dem am Fenster ihres Schlafzimmers etwas wie ein Flattern und Kratzen.
   
  (Heulender Wind. Flattern.)
   
  Wenig später Sie öffnete sie das Fenster einen Spalt, konnte aber in der Dunkelheit nichts wahrnehmen und legte sich schlafen. Wenig später schwebte Da flog eine unnatürlich große Fledermaus ins Zimmer hinein, und Sekunden darauf sah Lucy im Halbschlaf eine schwarze Gestalt über sich gebeugt.
   
  (Synthesizer-Musik.)
   
  Im Banne des Unheimlichen flüsterte sie:
   
Lucy: Wer bist du? Was willst du von mir?
   
Dracula: Dich will ich Ich will dich, schönes Kind. Ich werde dich küssen, so feurig, daß du dich bald nach dem Leben sehnen wirst, so lebenstrunken als Toter Tote ... (kichert)
   
Lucy: Nein, laß mich. Ich fürchte mich vor dir ...
   
Dracula: Warte nur meine Umarmung und meinen Kuß ab, dann liebst du mich für immer. Komm, laß mich deinen weißen Schwanenhals küssen ... (Dracula beißt sie.)
   
Lucy: (stöhnt auf.)
   
Dracula: Ja, jaaa, hm, jaaa ... (schlürft laut)
   
(Walzermusik.)
   
Lucy: (stöhnt erneut auf.)
   
Dracula: Das war gut, Lucy. Und wir sehen uns wieder, meine Schöne.
   
  (Orgelmusik. Käuzchenrufe.)
   
Erzähler: Am nächsten Tag erwachte Lucy derart geschwächt, daß Mina, die ihre Freundin gerade besuchte, sofort Professor Van Helsing zu Hilfe holte. Der untersuchte das Mädchen, wonach er Mina schreckensbleich mitteilte:
   
Van Helsing: Kein Zweifel! Dracula war bei ihr. Wenn sie noch zu retten ist, müssen wir sofort eine Bluttransfusion vornehmen. Ich kann allerdings nicht für ihr Wohl garantieren, wenn der Vampir sie weiterhin aufsucht, und das wird er versuchen. Es muß also nachts ständig jemand bei ihr Wache halten.
   
Erzähler: Doch alle Vorsichtsmaßnahmen wurden von Draculas scharfsinnigem und listigen Hirn durchkreuzt. Es gelang dem Vampir noch ein paarmal, sich Lucy zu nähern, bis sie endlich nach vierzehn Tagen an Blutarmut starb. Am Tage nach ihrer Beerdigung rief Professor Van Helsing Jonathan Harker zu sich. Mit ernstem Gesicht erklärte er ihm:
   
Van Helsing: Was ich befürchtet habe, ist eingetreten.
   
Harker: Sprechen Sie, Professor.
   
Van Helsing: Ich habe die vergangene Nacht auf dem Friedhof zugebracht und Lucys Grab bewacht. Harker, Lucy ist durch die Begegnungen mit Dracula selbst zu einer Nichttoten geworden, die nachts ihre letzte Ruhestätte verläßt, um auf Beute auszugehen.
   
Harker: Ich hatte es befürchtet. Gibt es denn keine Möglichkeit, Professor, ihrer armen Seele Frieden zu geben?
   
Van Helsing: Äh, es gibt eine Möglichkeit. Die Erfahrungen und Kenntnisse derer, die sich schon vor Jahrhunderten schon mit dem Studium der Nichttoten befaßt haben, weisen einen ... nicht leichten Weg, den Nosferatu, wie man den Vampir in Osteuropa nennt, zu erlösen. Wollen Sie mir helfen, Harker, dies Werk an Lucy zu tun, so kommen Sie heute nacht mit mir auf den Friedhof. Vielleicht finden wir dort auch eine Spur dessen, der sie zu seinem Opfer machte.
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Nach Mitternacht drangen die zwei Männer auf dem Friedhof in die Gruft ein, die Lucys Sarg beherbergte.
   
Van Helsing: Öffnen wir den Sarg, Harker. Ja ...
   
  (Hämmern. Der Sarg wird geöffnet.)
   
Harker: (atmet aus.) Leer!
   
Van Helsing: Ach! Hmm! (atmet aus.) Wir müssen also auf sie warten. Gehen wir nach draußen.
   
(Schritte.)
   
Erzähler: Nach zwei Stunden nahmen die beiden im fahlen Mondlicht eine Bewegung an der Friedhofsmauer wahr. Erregt flüsterte Harker:
   
  (Heulender Wind. Käuzchenrufe.)
   
Harker: Dort! Sehen Sie, Van Helsing, eine Gestalt in weißen Leinentüchern.
   
Van Helsing: Sie ist es.
   
Harker: Das Gespenst kommt näher.
   
  (Synthesizer-Musik.)
   
Van Helsing: Es trägt ein Bündel im Arm.
   
Harker: Unheimlich erinnert es mich an jenes Kind, das Dracula damals seinen Vampirbräuten vorwarf.
   
  (erstickende Schreie.)
   
Van Helsing: Auch jetzt ist es ein Kind, Harker. Da! Sie hat uns erkannt gesehen.
   
Harker: Mein Gott! Wie roh sie das Bündel zur Erde wirft! Und jetzt? Jetzt eilt sie mit wehenden Totenkleidern auf uns zu! Herr im Himmel, hilf!
   
Lucy: Jonathan!
   
Harker: Da, was ruft sie mir zu?
   
Lucy: Komm, Jonathan! Komm zu mir! Ich sehne mich nach dir. Laß uns beieinander ruhen ...
   
Harker: Ja, Lucy, komm zu mir ...
   
Van Helsing: Harker, um Gottes Willen, geraten Sie nicht in ihren Bann! Sehen Sie nicht die messerscharfen Vampirzähne, die ihr gewachsen sind? Erkennen Sie nicht die wollüstig grausamen Gesichtszüge?
   
Lucy: Hör nicht auf ihn, Jonathan! Ich komme zu dir!
   
Van Helsing: Halt ein, Vampir! Ich muß ihr das geweihte Kreuz entgegenstrecken. Da! Siehst du das heilige Zeichen? Zurück!
   
Lucy: (schreit auf.) Laß mir meine Ruhe, Christ! Laß mich zurück in meinen Sarg!
   
Van Helsing: Mir nach, Harker!
   
  Geht es Ihnen besser?
   
  (Schritte.)
   
Harker: Danke, ja.
   
  (Sie öffnen erneut den Sarg.)
   
Harker: Sehen Sie, Professor? Sie liegt bereits wieder im Sarg. Es sieht aus, als schliefe sie. Was, äh, was packen Sie dort aus Ihrer Tasche? Was haben Sie vor, Professor?
   
Van Helsing: Ich muß sie pfählen, ihr diesen Holzpflock ins Herz treiben. Nur so kann sie erlöst werden.
   
Harker: Schrecklich.
   
Van Helsing: Es muß sein.
   
  (Hämmern.)
   
Lucy: (schreit auf.)
   
  (Van Helsing hämmert weiter.)
   
Lucy: (schreit schwächer, seufzt, atmet aus.)
   
Van Helsing: Sehen Sie, Harker, wie ihr Gesichtsausdruck sich verklärt hat?
   
Harker: Ja. Nun ist sie wieder die Lucy, die ich kannte. Jetzt hat sie ihren Frieden. Aber sehen Sie da, Professor! Draußen vorm Eingang des Gewölbes! Dracula!
   
  (Synthesizer-Musik. Donnergrollen.)
   
Dracula: (lacht.)
   
Van Helsing: Er entfernt sich. Wir müssen ihn verfolgen! Auf!
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Es gelang Van Helsing und Harker, Dracula bis zu einem großen einsamen Haus im Zentrum Londons zu folgen, in dem der Vampir verschwand. Dann begaben sie sich nach Hause, in der Absicht, am nächsten Tage mit den nötigen Werkzeugen in das Gebäude einzudringen, es zu durchsuchen und den Vampir, wenn sie ihn fänden, zu vernichten. Sie ahnten nicht, daß Dracula ihnen auf dem Heimwege gefolgt war. Erschöpft schlief Jonathan Harker im Zimmer seiner Verlobten ein. Da spürte Mina plötzlich: Was sie nicht wußten war, daß Dracula ihnen auf dem Heimwege folgte. Wenig später, als Jonathan Harker schlafend bei Mina, seiner Verlobten, lag, spürte diese plötzlich:
   
Mina: Noch jemand ist im Zimmer! Doch ich sehe nur einen merkwürdigen Nebel, der wohl mit Jonathan hereingekommen ist. Da! Hilfe! Aus dem Nebel entsteigt eine große schwarze Gestalt. Jonathan, Jonathan, hilf mir!
   
Dracula: Schweig, er kann dich nicht hören. Du sollst nun büßen, daß sie es wagen, meine Pläne zu durchkreuzen. Ich werde meinen Durst an dir stillen. Komm schon! (Dracula beißt sie.) So ... Ja ... (Er trinkt.)
   
Mina: (seufzt.)
   
(Walzermusik.)
   
Dracula: Und nun sollst du mein eigen Fleisch und Blut werden. Schau, Schau nur her, ich ritze eine Ader an meiner Brust. Und nun komm du! Trinke mein Blut! Komm! Ich befehle es dir. Trink!
   
Mina: (seufzt, trinkt, atmet aus.)
   
Dracula: Und nun komm mit mir. Du wirst mich in meine Heimat begleiten und mich nie wieder verlassen. (er lacht.)
   
  (Orgelmusik. Ein Kauz ruft.)
   
Erzähler: Voller Entsetzen über Minas Verschwinden stürmten Harker und Van Helsing am nächsten Morgen zu dem alten Haus im Zentrum der Stadt. Doch als sie dort eingedrungen waren, fanden sie nichts Bemerkenswertes, außer einem Rest Erde in der Halle.
   
Harker: Er muß das Haus gekauft haben und hat dann vom Schiff seinen Sarg mit der Heimaterde hierher schaffen lassen, um darin tagsüber ungestört seinen Vampirschlaf verbringen zu können.
   
Van Helsing: Sehen Sie, hier hat der Sarg gestanden.
   
Harker: Mein Gott. Und keine Spur von Mina.
   
Van Helsing: Doch! Vielleicht hier! Sehen Sie, Harker, dort ist liegt ein Zettel (Er hebt den Zettel auf.) ..., eine Nachricht von Dracula.
   
Harker: Geben Sie her.
   
  (Harker entfaltet den Zettel.)
   
  "Lieber Freund, glaubten Sie ernstlich, das Hirn eines Dracula überlisten zu können? Wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich Ihre unfreundliche Insel bereits verlassen. Transsylvanien ist ein schöneres Land. Leben Sie wohl, Dracula. P.S.: Ihre reizende Verlobte ließ sich nicht davon abhalten, mich zu begleiten."
   
Van Helsing: Das Ungeheuer hat Mina tatsächlich entführt! Ob sie noch zu retten ist?
   
Harker: Wir müssen es versuchen! Möge uns der Himmel mit seinem Segen beistehen!
   
  (Orgelmusik.)
   
Erzähler: Tage später, in einer eisigen Winternacht, hatten Harker und der Professor ihr unheimliches Ziel erreicht: sie standen in Transsylvanien vor dem Tor der Burg Dracula. Todesmutig erklommen die beiden Männer die Mauer und schlichen sich ins Schloß. Als sie in die Nähe der festlich erleuchteten Halle kamen, hörten sie Stimmen.
   
  (aufgeregtes Getuschel.)
   
1. Vampirbraut: Ich kann's gar nicht abwarten, die Neue zu sehen. Sie soll sehr schön sein.
   
2. Vampirbraut: Ja, dem Teufel sei Dank! Noch ist sie keine Schwester von uns. Erst werden wir unseren Durst an ihr stillen - solange, bis sie stirbt.
   
1. Vampirbraut: Ruhig Ruhe, der Gebieter kommt!
   
Dracula: Liebe Schwestern, ich habe euch nicht zuviel versprochen. Wir haben einen Gast bei uns, dem zu Ehren wir heute nacht ein Festmahl feiern wollen, wie lange keins. Geduldet euch, bis das Mädchen erscheint. Um Mitternacht soll das Fest beginnen.
   
  (wieder aufgeregtes Getuschel.)
   
Harker: Dem Himmel sei Dank, Professor. Sie lebt noch. Doch wo finden wir sie?
   
Van Helsing: Still, Harker. ich höre ganz entfernte Töne.
   
Mina: (singt.)
   
Harker: Das ist Mina. Kommen Sie, Professor, jede Sekunde ist kostbar.
   
  (Schritte.)
   
Van Helsing: Halt! Dieser Raum muß es sein. Man hört leise Stimmen durch die Tür. Sie ist nicht allein. Halten Sie das Kreuz bereit. Vorwärts!
   
  (Sie öffnen die Tür.)
   
Harker: Mina!
   
Mina: Jonathan!
   
3. Vampirbraut: Oh, noch zwei Lebende! Ha, welche Überraschung! Kommt näher, laßt euch umarmen!
   
Mina: Vorsicht, Jonathan!
   
Van Helsing: Halten Sie ihr doch das Kreuz entgegen, Harker! Kommen Sie, Mina!
   
  (Schritte.)
   
  Rasch!
   
Harker: Da, Vampir! Siehst du das Zeichen?
   
3. Vampirbraut: Beim Satan! (stöhnt. schreit.)
   
Van Helsing: Harker, fort von hier, ehe die anderen auf dem Schloß uns bemerken.
   
  (Schnelle Schritte.)
   
Harker: Kannst du noch, Mina?
   
Mina: Danke. Ja, Jonathan. Doch sieh! Dort, die Tür!
   
  (Eine Tür fällt ins Schloß.)
   
Harker: (atmet aus.) Zugeschlagen!
   
Van Helsing: Wieder zurück, Freunde!
   
  (Schritte. Eine weitere Tür fällt ins Schloß.)
   
Harker: Schluß, aus. Auch die Tür hat man uns vor der Nase zugeschlagen. Wir sitzen fest.
   
  (Schritte nähern sich.)
   
Mina: Sicher ist das Dracula. Da, jetzt wird das kleine ein kleines Fenster in der Tür geöffnet.
   
Dracula: Ich begrüße die Herren in meinem Schloß. Ihr Besuch kommt zwar nicht ganz erwartet unerwartet, doch freue ich mich, Sie so bald wiederzusehen. Oh Ach, Sie sind in Damengesellschaft, wie unterhaltsam. Nun ja, vorzustellen brauche ich die Herrschaften einander wohl nicht. Übrigens bin ich untröstlich, nicht näherkommen zu können. Aber Sie führen da solch ... widerwärtige Gegenstände mit sich, die Sie mir anstelle Ihrer Hände zur Begrüßung entgegen strecken könnten, und das würde mich bedauerlicherweise ein wenig behindern, Sie gebührend zu begrüßen. Aber ich kann es mir natürlich nicht nehmen lassen, dies später zu tun, wenn Sie soweit sind. (lacht.) Sie verstehen? Gastgeberpflichten!
   
Van Helsing: Wir haben Sie verstanden. Und wir können warten, Dracula.
   
Dracula: Oh, wirklich? Sollte das ungemein sachkundige Professorenhirn daran gedacht haben, daß die Türen tagsüber von den Schloßbewohnern nicht bewacht werden können? Und daß manche verschlossene Tür schon mit Gewalt gesprengt wurde? Aber, verehrter Professor! Da würd' ich mich schlecht um die Sicherheit der mir anvertrauten Seelen kümmern. (lacht.) Nein, nein, tagsüber werden natürlich meine lieben Vierbeiner vor den Türen Wache beziehen.
   
Harker: Er meint die Wölfe.
   
Mina: Schrecklich.
   
Dracula: Ganz recht, ganz recht! Und nun schlafen Sie wohl! Haben Sie nur ein wenig Geduld. Schneller als Sie denken, werden wir die notwendigen - ach, wie sagt man doch bei Ihnen, Professor - ach ja, Bluttransfusionen an Ihnen vornehmen. (lacht.)
   
  (Das kleine Fenster wird wieder vorgeschoben.)
   
  Hört, Schwestern! Ihr haltet vor jeder der Tür Wache, verstanden?
   
1. Vampirbraut: Natürlich.
   
2. Vampirbraut: Wir gehorchen, Gebieter!
   
Erzähler: Die Lage schien verzweifelt, wenn nicht aussichtslos. Da kam dem Professor eine Idee, und wenig später, nachdem er seine List, so leise er nur konnte, Mina und Harker mitgeteilt hatte, konnte die diejenige Vampirbraut, die die zum Hofe führende Tür bewachte, einen erregten Wortwechsel mitanhören.
   
Mina: Hättest du daheim nur besser auf mich acht gegeben! Nie hätte mich Dracula dann entführt! Nie wären wir dann jetzt in solch schrecklicher Lage. Aber du hattest ja Wichtigeres zu tun!
   
Harker: Mina, mäßige Dich!
   
Van Helsing: So, jetzt das Messer, Mina! Hier, an seinen Arm!
   
Mina: Ja! So ... Ach was! Ich hasse dich! Du bist an allem schuld! Oh, ich bringe dich um! So, so!
   
Harker: Mina!
   
Mina: Ah! So ...
   
Harker: (schreit.)
   
Van Helsing: Mina! Zurück! Verlieren Sie nicht den Verstand! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät! Da, sehen Sie sich an doch, welche Wunde Sie ihm beigebracht haben. Wie er blutet. Wenn es nur gelingt, sie noch rechtzeitig zu schließen! Kommen Sie, helfen Sie mir!
   
Erzähler: Es war soweit. Der Vampir sah ein paar Tropfen einer eine Flüssigkeit unter der Türe hindurchsickern, die ihn rasend machen mußte: Blut! Voll unbändiger Gier leckte die blutdürstige Nichttote die spärlichen spärlich rinnenden Tropfen vom staubigen Steinboden auf. Dann hörte sie durch die Tür wie der Professor aufstöhnte:
   
Van Helsing: Es ist zu spät, Mina. Was haben Sie nur getan! Er verblutet in meinen Armen!
   
Erzähler: Da war es um die Beherrschung des Vampirs geschehen. Wie besessen öffnete die Schönste von Draculas Bräuten die Tür, um an dem vermeintlichen Blutbad ihren Durst zu stillen.
   
  (Die Tür wird geöffnet.)
   
3. Vampirbraut: (stöhnt erwartungsfroh auf.)
   
Van Helsing: Fort, Freunde! Und zeigt ihr das Kreuz!
   
  (Schnelle Schritte.)
   
Harker: Da!
   
3. Vampirbraut: (schreit.)
   
Harker: Lauft! Lauft um euer Leben, Freunde!
   
Erzähler: Während sie auf den Hof gelangten, mit äußerster Hast die Mauer überstiegen und in ihre zurückgelassene Kutsche sprangen, hörten sie voll Entsetzen Dracula näher kommen.
   
  (Heulender Wind. Eine fahrende Kutsche.)
   
Dracula: Ihr entgeht mir nicht! Dracula werdet ihr nicht überlisten! Und faß ich euch nicht auf dem Erdboden, so in der Luft!
   
(Pferdewiehern.)
   
Mina: Professor! Eine riesige Fledermaus verfolgt uns! Sie ist über uns!
   
Harker: Es ist Dracula.
   
Van Helsing: Hüah! Ho! Schneller, ihr Pferde! Schneller! Harker, das Kreuz!
   
Harker: Hier, Dracula, da! Siehst du das Zeichen dessen, der mächtiger ist als die Mächte der Finsternis?
   
Dracula: Wartet! Ihr ... (schreit.)
   
Erzähler: Unter dem Schutze des Kreuzes gelang es den dreien, lebend den Borgo-Paß hinab nach Bistritz zu kommen, wo sie sich in Sicherheit brachten. Dann, als der Tag anbrach, reisten sie ohne Aufenthalt in ihre Heimat.
   
  (Orgelmusik.)
   
  Graf Dracula aber, der auf diese Opfer hatte verzichten müssen, war zähneknirschend auf seine Burg zurückgekehrt und legte sich beim Morgengrauen in seinen Sarg in der Gruft. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang aber verläßt der Blutsauger immer wieder seine Ruhestätte, um ohne Unterlaß nach neuen Opfern zu suchen, denen er seine spitzen Fangzähne in den Hals schlagen kann. Wann begibt er sich wieder fort aus Transsylvanien? Niemand weiß es. Er, der vor Jahrhunderten geboren wurde und ein Nichttoter ist, kann sich Zeit lassen. Seien wir auf der Hut ...
   


© Transkription: Marcus Ebeling • Versionsvergleich: Thomas Schwettman • Umsetzung in HTML: Sven Haarmann (01. August 2002)